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Haunted House (Station 1)

Zum besseren Verständnis der Arbeit HAUNTED HOUSE, 2001/2002, also dem Geisterhaus oder auch Spukhaus von Alexander Steig sollen zunächst einige Gedanken zum Verhältnis bildenden Kunst und Fernsehen (bzw. fern-sehen) vorangestellt werden, da das Medium Fernsehen in den Arbeiten Steigs einen wesentlichen Bestandteil einnimmt. Dies jedoch ohne Anspruch auf Klärung oder gar Erklärung, sind die Verwicklungen doch bisweilen unüberschaubar...

Seit den 60er Jahren beschäftigt sich die bildende Kunst inflationär mit dem Versuch, das Fernsehen oder allgemeiner, die neuen Medien, als Austragungsort künstlerischer Aussagen fruchtbar zu machen. Dabei geht es vordergründig um den Verlust der Freiheit, als auch um das Eindringen in den persönlichen Lebensraum und um dessen Verletzung. Unter Verdacht steht in der Regel der scheinbar passive Reiz, den das fernsehen ausübt, dem sich das Individuum schutzlos ausgeliefert sieht. Die Kritik zielt meist auf die Qualität der angebotenen Bilder und die Bevormundung durch deren Auswahl. Von hieraus eröffnen sich auch die unzähligen Studien über die Wirkung des Fernsehens, und von der Verblödungsthese bis zur Systemstabilisierungsthese ist alles vorhanden, was die unterschiedlichen Gemüter und Kulturpessimisten bewegt.


Haunted House (Station 1), Gemeinde Stuhr, 2001/02

Gewiss ist jedoch nur eins: fern-sehen verschlingt Zeit, und wenn das Fernsehen auch überwiegend mit Banalem und Anspruchslosen aufwartet, ist dies weniger tragisch, braucht der Mensch doch gedankliche "Pufferzonen". Ein Unterhaltungsroman oder Krimi, die tägliche Soap oder Talkshow sind hierfür bestens geeignet und sollte wertfrei von der Konstitution des jeweiligen Subjektes gesehen werden.

Der Reiz des Mediums Fernsehen für die bildende Kunst kann auch nicht in einer didaktisch-pädagogischen Hinterfragung der Inhalte gesucht werden, das sollte den Pädagogen vorbehalten bleiben. Reizvoll scheint hier eher die vermeintlich enge Beziehung von Fernsehen und bildender Kunst zu sein. Beide Medien bedienen und beschäftigen unseren Seh- bzw. Wahrnehmungsapparat. Sie tun dies aber auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichen Zielen. Während das Medium Fernsehen dem Bereich der Unterhaltung zugeordnet wird und vorwiegend durch Flüchtigkeit gekennzeichnet ist, will die Kunst mehr als nur die Zeit vertreiben und unterhalten. Sie hat einen wie auch immer gearteten Auftrag, der über den Moment hinaus weist und günstigstenfalls im Rezipienten nachhallt.

Die Ästhetik des Fernsehens ist eine zweidimensionale; auch wenn Dreidimensionalität vorgetäuscht wird, fehlt ihr das Auratische (Benjamin), das Haptische, das Substantielle und das Olfaktorische, also das sekundär Sensitive, was in der Begegnung mit einem Kunstwerk selbstverständlich ist. Stark verkürzt kann man sagen, dass das Angebot der Fernsehwelt ein rein (audio-)visuelles ist, im Fernsehen wird gesehen und gehört - und zwar schnell. Eine flimmernde, geframte Wirklichkeit wird visuell inhaliert, um Reaktionen im Zuschauer zu wecken. Eine Wirklichkeit, die, bedingt durch das unaufhörliche Nachdrängen der nächsten Bilder, scheinbar sofort in Modulation und Auflösung begriffen ist. Ein kaum zu überblickender Bilderkosmos formiert sich im kollektiven Gedächtnis, ohne Hierarchie zu einem Gesamtbild von Welt. Er suggeriert Erfahrungswelten ohne Erfahrung machen zu müssen - man ist an jedem Ort zu jeder Zeit und konstruiert ein Bild von Welt mittels der Mattscheibe, ohne dass heimelige Wohnzimmer verlassen zu müssen. An alles angeschlossen was ihm die Welt ins Wohnzimmer holt braucht der moderne Mensch die Wirklichkeit nicht mehr, scheint es gar so, dass das Wirkliche eliminiert wird.


blue-pencilled-telly, 1997, Historisches Museum Hannover; 1997, ...............................................................................................................................Referenz, Studioaufnahme

Hier setzen Steigs Arbeiten an und zwingen den Betrachter in Konfrontation mit seinen eingeübten Sehgewohnheiten den eigenen Wahrnehmungsapparat zu reaktivieren und zu hinterfragen. Der zum Fetisch avancierte Fernsehapparat der Erlebnisgesellschaft wird in ironischer Brechung seiner ursprünglichen Bestimmung beraubt, wird zum eigentlichen Objekt der Betrachtung, wie in der Installation REFERENZ, 1997, wo ein Spiegel anstelle der Bildröhre den Betrachter auf sich selbst zurückwirft oder im Falle der Skulptur BLUE-PENCILLED TELLY, 1997/98, einem komplett mit blauer Farbe übermalten Fernsehgerät, dessen Programm undeutlich durch die Übermalung schimmert, wohingegen der Ton ungehindert zu vernehmen ist. Diese Arbeiten enthalten dem Rezipienten die gewohnten Reize vor und zwingen ihn zum Innehalten und möglicherweise zur Mobilisierung des unbewussten Bilderreservoirs, denn das entstehende optische Vakuum muss, um der lauernden Langeweile nicht anheimzufallen, gestillt werden. Das macht das Innehalten zu einem anstrengenden Unterfangen und zeigt die verschiedenen Referenzebenen des Wahrgenommenen, sowie den Einzug der allgegenwärtigen Profanisierung durch die permanente Verfügbarkeit. Eine schnelle Aneinanderreihung der Bilder, die für eine nicht versiegende Stimulation des Seh- apparates sorgen bieten diese Arbeiten bewusst nicht.

Bei der Arbeit HAUNTED HOUSE scheint Steig den Fernsehapparat zunächst wieder in seine natürliche Umgebung zu reintegrieren und ihm seine ursprüngliche Funktion zurückzugeben. Doch bei näherer Betrachtung des Hauses erkennt man seine Unbewohntheit, lediglich die flimmernden Fernsehapparate, die selbst nicht zu sehen sind, suggerieren Leben, wo keines ist.


Haunted House (Station 1), Gemeinde Stuhr, 2001/02

Der flüchtige Blick im Vorbeigehen oder fahren meint ein Bild von Alltäglichkeit zu erkennen, wo doch Alltäglichkeit nur simuliert wird - und auch das seit fünf Jahren leerstehende Haus scheint wieder seine ursprüngliche Funktion zurückerhalten zu haben. Doch der zweite sich vergewissernde Blick entlarvt die Annahme als Trugschluss: hier wohnt niemand, kein Mensch ist zu erblicken - oder sitzen vielleicht doch alle wie hypnotisiert vor der Flimmerkiste?

Jörg Welack

(Eröffnungsrede anlässlich des Projektes Haunted House (Station 1), Medieninstallation im öffentlichen Raum, Gemeinde Stuhr, 2001/02)

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