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Faszination des Leeren
Leere Landschaften schlagen in einen ambivalenten Bann: Sie locken und erschrecken die Menschen zugleich. Diese schillernde Doppeldeutigkeit steht im Zentrum von Alexander Steigs auf die Räume der Galerie zugeschnittenen Videoinszenierungen.
Seit dem Ende der 50er Jahre befindet sich Deutschland im Fernsehzeitalter. Bildschirme, Mattscheiben, kurz die Glotze gehören seither zur kollektiven Erfahrungswelt, der sich keiner entziehen kann. Überwogen zunächst distanzlose Totalfaszination oder polar dazu eine hysterisierte Kritik an vermeintlicher Verflachung via Ferngucken, so sind mittlerweile drei Generationen an Kunstschaffenden herangewachsen, die ein selbstbewusstes und nüchternes Verhältnis zum bläulichen Flimmermedium einnehmen; denn sie sind seit Kindheit mit ihm vertraut. Der im Hannoverschen aufgewachsene Alexander Steig gehört der Generation der in den 60er Jahren Geborenen an. Der Reiz, der von den Medien bewegter Bilder ausgeht, verstärkt bei ihm die Reflektionskraft über die Eigenheiten, Möglichkeiten, aber auch Grenzen und Lügen aller Medien, die sich von der Braunschen Röhre herleiten lassen.
sceneries (1,3 + 2), 2008, Galerie k4, MünchenBilder des Erhabenen
In seiner neuen Arbeit "sceneries (landscapes in repose)", die ab Ende August für zwei Wochen in der Galerie K4 im Gärtnerplatzviertel zu sehen ist, befasst sich der Künstler mit Bildern der Wüste und deren Wahrnehmung. Bilder von Wüsten, egal ob es sich um Sand-, Geröll-, Wasser- oder Eiswüsten handelt, brauchen eine Horizontlinie, wie zerklüftet diese auch immer ist. An ihr wird der Eindruck der kaum vorstellbaren Ausdehnung und Verlassenheit gewonnen, der alle Wüsten zu Räumen des Erhabenen werden lässt. Darstellungen der Wüste bringt der Künstler dabei auch zusammen mit dem Archetyp des erhabenen Raumes, einem Bild des Nachthimmels, so dass Erhabenes in der Potenz aufscheint. Für die psychologischen Auswirkungen solcher Bilderlebnisse auf das menschliche Gemüt interessiert sich dieser Wüstenforscher aber kaum. Er zeigt die Herstellung solcher Bildwelten und derenIllusionismus, dem sich die Betrachter aber gar zu gerne unterwerfen.
sceneries (2 + 1), 2008, Galerie k4, MünchenTricks des Medienmagiers
Das Szenario für Steigs mediatisierte Wüsten findet in einer Zimmerecke Platz oder beansprucht eine Schreibtischplatte, nicht mehr. Einige Lampen leuchten es aus und eine Kamera filmt es ab, um es auf einen Monitor weiterzuleiten. Gegebenenfalls kann das Bildmaterial auf einem Speichermedium konserviert werden. Man bemerkt, Alexander Steigs Vorgehen gleicht von der technischen Seite dem Verfahren heutiger Videoüberwachungssysteme, für die Freaks, er bedient sich eines "closed circuit". Dieses miniaturisierte Verfahren funktioniert, weil dem Fernsehen eine spezifische Maßstabslosigkeit zu eigen ist: Kleines erscheint als groß und umgekehrt. Den "richtigen" Maßstab muss der Betrachter mitbringen, im technisch erzeugten Material ist er nicht zu finden. Es tritt ein weiterer Trick hinzu, dessen sich der Medienmagier bedient. Fernseh- und Filmbilder sind für unsere Wahrnehmungsgewohnheit ihrem Wesen nach bewegt. Wenn diese Bilder verharren, still stehen, reagieren wir irritiert. Auf Alexander Steigs Videoinszenierungen über Wüstenlandschaften passiert im Wortsinne nichts, um so stärker setzen sie beim Betrachter die Assoziationsmaschinerie in Gang. Das ist ihr hintersinniger Humor, ganz im Sinne Jean Pauls verstanden "als das umgekehrt Erhabene."Rüdiger Heise
(Kultur-Magazin APPLAUS, 9/2008, München)